Wo stehen wir aktuell? Das deutsche Gesundheitssystem arbeitet seit Jahren am Limit. Viele Kliniken sind privatisiert worden und es zählen in ganz Deutschland nur noch die Zahlen am Jahresende. Es kam zu einer starken Arbeitsverdichtung in allen Bereichen (Pflege, Ärzte, Verwaltung, ...). Ein System, in dem Teilzeitarbeit die einzige Lösung ist, um langfristig gesund zu bleiben. Zahlreiche Kollegen und Kolleginnen haben das Handtuch geworfen, sind aus den Krankenhäusern geflüchtet, oder haben jetzt ganz andere Jobs. Wir haben ein Gesundheitssystem, das für Arbeitnehmer absolut unattraktiv ist. Es gibt kein »Reservepersonal«. Schon seit Jahren nicht mehr.
Auf einer normalen Intensivstation reicht meistens der Ausfall von 1-2 Pflegekräften, damit die Bettenanzahl zurückgefahren werden muss. Manche Häuser stehen besser da, manche müssen permanent auf reduzierter Kapazität arbeiten, weil qualifizierte Arbeitskräfte fehlen.
Eine Intensivstation fasst zum Beispiel (wie hier bei uns) 16 Betten in denen 16 Patienten betreut werden können. Das ist die Anzahl, die immer in der Presse genant wird. Die Anzahl an Intensivbetten in Deutschland liegt mit dieser Rechnung bei etwa 28000.
Wenn das komplette Personal in den Krankenhäusern anwesend ist, dann können (fast) alle Betten mit Patienten belegt werden. Ich denke, jeder erkennt das Problem, das auf uns zu kommt. Pflegekräfte werden ausfallen, sitzen in Quarantäne. Autounfälle, Herzinfarkte, Schlaganfälle werden trotzdem kommen. Wir könnten höchstens 8 Patienten vernünftig betreuen, aber wir haben 20 Patienten. Die Idee minderqualifiziertes Personal zu verwenden funktioniert nur auf Normalstationen. Um Beatmungsgeräte richtig einzustellen, bedarf es jahrelanger Erfahrung als Intensivpfleger. Also werden Fehler passieren, Menschen werden schlechter betreut als »normal«.
Wie konnte es so weit kommen? Wer ist dafür verantwortlich? Klar, die Politik. In letzter Instanz ja, aber gesamt betrachtet: wir alle!
Deutschland hat eine extrem hohe Dichte an Krankenhäuser und ja, es sind wirklich zu viele. Warum? Weil jeder mit Husten oder Durchfall gleich in einer Notaufnahme vorstellig werden muss. Und vor allem, weil jede sachliche Diskussion mit einem gewaltigen Shitstorm einhergeht.
Warum sollte man überhaupt Krankenhäuser schließen?
Die Komplikationsrate erhöht sich je geringer die Fallzahlen. Logisch, wer 1x im Jahr einen »Blinddarm« operiert, dem fehlt schlicht die Erfahrung. Das führt zu viel höheren Komplikationsraten. Also wäre es ab und zu durchaus sinnvoll Krankenhaus A zu schließen und dafür im Nebenort im Krankenhaus B die Kapazitäten zu erweitern.
Aber wer soll das »geschlossen« Schild an der Klinik anbringen? Der Bürgermeister? Die Stadtverwaltung? Eine Landespartei?
Das wäre politischer Selbstmord. Arbeitsplätze sind plötzlich weg, hunderte schreien laut auf in sozialen Medien, wenden sich an Zeitungen, die wiederum schöne emotionale Artikel veröffentlichen. Es ist nicht möglich in Deutschland ein Krankenhaus zu schließen, außer man möchte nie wieder gewählt werden. Also hat sich die Politik zum Totsparen entschlossen. Und das funktioniert (leider) ganz gut. Dieses Totsparen hat das absolut unattraktive Gesundheitssystem geschaffen.
Es bezieht sich übrigens nicht nur auf Personal. Auch über IT, Sicherheit und Schutz der Patientendaten kann man nur traurig lächeln.
Das ist unsere Ausgangslage in Deutschland.
Wir müssen personell mit dem klarkommen, was wir jetzt haben. Mobilisierbares, zusätzliches Personal hält sich in Grenzen (Bundeswehr, ..).
Zum Glück sieht es bei der apparativen Ausstattung deutlich besser aus. Wir haben in Deutschland zahlreiche Firmen, die zB. Beatmungsgeräte bauen (Beispiel: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/111051/Draegerwerk-liefert-10-000-Beatmungsgeraete-fuer-Krankenhaeuser).
Spekulation: Es wird immer noch zu einem Engpass kommen, aber bestimmt nicht so krass, wie in anderen Ländern.
Da hilft jetzt kein Klagen mehr, überlegt in Zukunft einfach zweimal, wo ihr das Kreuzchen am Wahlzettel setzt.
Bild: Wikimedia by Wiki05, CC BY-SA 3.0
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