Leseprobe 3 aus ‚DREI KÖNIGE‘ - BRUDERKRIEGE

Ulf nahm die Erregte in die Arme und streichelte sie sanft. „Morgen“, flüsterte er ihr ins Ohr, „morgen wirst du deinen Knaben bekommen.“

Damit verließ er die kleine, geliebte Frau, um ihr die Zofe zu schicken und sich auf die Suche nach einem passenden Knaben zu machen. Die kleine Elfi aber fieberte erwartungsvoll dieser Bereicherung ihres gemeinsamen Liebeslebens entgegen. Sie hatte ihre wahre Natur erkannt und war entschlossen, sich nicht mehr dagegen zu wehren. Die Zofe kam zum rechten Zeitpunkt und während die Zwergin sich von Dieser verwöhnen ließ, erzählte sie unter Stöhnen und Keuchen von dem zu erwartenden Geschenk ihres Gatten.

Auch die Zofe Waltraud fand Gefallen an diesem Gedanken. Durch noch eifrigeres Betasten und Streicheln wollte sie dies der sich lustvoll windenden Elfi bekunden... Bei Ulfs Rückkehr am Abend lagen Beide eng umschlungen auf dem Lager und schliefen. - Lächelnd legte Ulf sich dazu.

Urs hatte ein strenges Auge auf die Befolgung seiner Anordnung. – Kam einer der Minister mit einer Frage daher, schickte er Diesen sogleich weiter zu Ulf. Der König wollte ein 'Du ́ gegenüber seinem Berater von Seiten der Minister gleichermaßen nicht mehr dulden. – Man hatte den Zwergen mit 'Ihr ́ und 'Herr ́ anzusprechen. Bei Versammlungen und Beratungen wollte der König, nachdem alle Anderen ihre Ansichten dargelegt, sich an Ulf wenden und Diesen fragen: „Was habt Ihr dazu zu sagen, Herr Berater ?“

Man gewöhnte sich also an die veränderten Gegebenheiten – und bald war es für die Minister zur Selbstverständlichkeit geworden, dass keine Sitzung oder Beratung ohne Ulfens letztes Wort stattfinden konnte. „Denkt Ihr wirklich , Herr, dass es notwendig ist, mich an allen Debatten und Diskussionen fürderhin teilnehmen zu lassen“, wollte Ulf denn eines Tages vom König wissen. „Nein, mein Freund“, erwiderte Urs, „das wird nur jetzt, zu Anfang deines neuen Amtes, vonnöten sein; bald wirst du dich wieder angenehmeren Beschäftigungen zuwenden können. Deine Elfi wird im Moment , so hoffe ich doch, keine Langeweile haben oder sich gar vernachlässigt fühlen; oder doch...?“ Dies Letztere kam mit einem Augenzwinkern. Ulf lächelte verschmitzt. „Nein Herr. Dank Eures guten Ratschlags ist das glücklicherweise nicht der Fall. – Auch ich komme nicht zu kurz“, fügte er dann, ebenfalls augenzwinkernd, hinzu. „Paß’ auf dich auf; du bist mir nicht zu ersetzen.“

Damit war Ulf entlassen und kehrte wieder in seine Gemächer zurück.

Bald nahm das Leben wieder einen normalen Gang; die Minister und Bediensteten des Schlosses hatten sich an die Vormachtstellung des sympathischen und unaufdringlichen Zwerges gewöhnt, womit Dieser dankbar wieder seinen häuslichen Pflichten verstärkte Aufmerksamkeit schenken konnte.

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                           Die Siedler

...Im Alten Land war eine Hungersnot ausgebrochen und ließ viele Menschen ratlos und verzweifelt nach einem Ausweg aus dem Elend suchen. Die zugeteilten Rationen waren erbärmlich – und über kurz oder lang würden die königlichen Kornkammern zur Gänze geleert sein. „Lasst uns zu König Urs gehen“, wurde ein Gedanke laut, er ist ein gütiger und gerechter Mann. Hat er nicht bereits früher Menschen in seinem Lande aufgenommen ? Sein Reich ist groß, so wird auch für uns ein Platz sein !“ Auswanderungswillige versammelten sich – und überall hörte man von den riesigen Ländereien in Ursens Reich, welche nur darauf warteten, von Willigen bearbeitet und fruchtbar gemacht zu werden. Man schickte Bürger zum König, um Diesem die Sache vorzutragen.

Abgesandte waren bald unterwegs, um Ursens Entscheidung darüber zu vernehmen. Verständnisvoll beschied Urs die Boten, dass die Menschen kommen mögen, um sich an ihnen zugewiesenen Orten niederzulassen. Erfreut traten die so positiv Beschiedenen die Heimreise an; Urs entsandte ebenfalls Boten, um seine Brüder zu bitten, desgleichen Bauern aus der Alten Heimat in ihren Ländern anzusiedeln.

Bald schon waren erste schwere, hölzerne Wagen, gezogen von kräftigen Ochsen, unterwegs Richtung Osten. König Urs gab Anweisung, den Siedlungswilligen Land zuzuweisen, auf welchem sie sich niederlassen könnten. – Den Bauern des Reiches wurde aufgetragen, die Neuankömmlinge zu unterstützen und zu verpflegen. Dafür wären die Alteingesessenen bis auf Weiteres von Abgaben befreit.

Die ersten Auswanderer erreichten die Grenzen von Ursen’s Reich und wurden von den Schreibern registriert; erst danach durften sie sich auf dem ihnen zugewiesenen Land niederlassen. Ulf ward geschickt, um dabei auf Gerechtigkeit zu achten und gleichzeitig den Schreibern bei ihrer Arbeit auf die Finger zu sehen. Später ankommende Ansiedlungswillige wurden weitergeschickt, um ihren Platz in den Ländern Wolfs und Eberhards zu finden. Auch diese Beiden hatten bereitwillig ihr Einverständnis zur Ansiedlung der Unglücklichen gegeben.

An Wolfens Grenze wurden die Ansiedler ebenfalls bereits erwartet, um von den Schreibern registriert zu werden, bevor sie weiterziehen konnten, ihr zugeteiltes Land zu besetzen. König Wolf hatte nach den Geschehnissen bei der Lieferung der Edelhölzer einige neue Minister ernannt, welche sich nunmehr bewähren sollten, um der neuen Lage im Lande Herr zu werden.

Die zuletzt angekommenen Flüchtlinge wurden weitergeschickt in Eberhard’s Reich. Dieser nahm es mit der Registrierung nicht so genau wie seine beiden Brüder, sondern ließ die Einwanderer siedeln, wo sie gerade ein freies Stück Land fanden....

Überhaupt war Eberhard lässiger in Dingen der Staatsführung; so ließ er auch die östlichen Grenzen nicht allzu stark bewachen. Begünstigt durch diesen Umstand, gelang es darum hin und wieder unerwünschten Elementen, Eintritt in Eberhard’s Reich zu finden, wo sie dann auch diesen oder jenen Unfug anstellen mochten. Wahrhaft Ernstliches war dadurch bisher nicht zu gewärtigen gewesen, so dass Eberhard keine Veranlassung sah, die Art seiner Reichsführung zu ändern.

Mit den Neuangekommenen war auch ein Mädchen erschienen, welches anzusehen war, wie Milch und Honig und durch sein ansprechendes Äußeres die Blicke Aller auf sich zog. Mit ihren Eltern und zwei jüngeren Brüdern war die Sechzehnjährige vor dem Elend geflohen und nun froh, eine Zufluchtsstätte gefunden zu haben. Das Unglück wollte es, dass das hübsche, gutgebaute Mädchen schon wenige Tage nach ihrer Ankunft in Eberhard’s Reich verschwunden war. Ratlosigkeit und Wehklagen bei den Eltern sowie Denen, die an der Erscheinung des schönen Kindes Gefallen gefunden hatten. Es galt als gewiss, dass Sieglinde nicht aus eigenem Antriebe davongelaufen war; es musste irgendeine Untat hinter dem Verschwinden des Mädchens stecken !

Die Klage drang bis vor den König und Eberhard besprach dies unglückliche Ereignis mit seiner Gemahlin. „Sie soll über die Maßen hübsch und von angenehmer Art sein“, wusste auch die Königin zu berichten, „es wäre ein großes Unglück, wenn dem armen Kinde in Eurem Reiche ein Unheil widerführe. – Ich bitte Euch, lasst nach dem Mädchen suchen!“ Auch Kunti war gleicher Ansicht mit der Königin; also gab Eberhard Befehl, überall nach dem Mädchen zu suchen und es zu ihm in den Palast zu bringen.

Späher schwärmten aus, um nach einer Spur zu suchen und dieser dann zu folgen, bis das arme Kind gefunden sei. Königin Heidrun hatte sich mittlerweile zwar am Hofe eingelebt, doch war sie nicht allzu glücklich. Ihr Gemahl hatte seine Pflichten erfüllt; doch wollte ihr scheinen, dass es mit dieser Pflichterfüllung auch schon sein Bewenden hatte. Nach wie vor fühlte sie sich fremd und ungeliebt und ihr fehlte ein Mensch, welchem sie sich anvertrauen konnte. Eberhard besuchte sie an den Abenden, um rasch zu erledigen, was zu erledigen war und verschwand danach wieder in seinen eigenen Räumen, um dort die Nächte zu verbringen.

Eberhard hatte rasch festgestellt, dass hinter Heidruns stillem Wesen Intelligenz und gesunder Verstand steckten, weshalb er sich schon bald mit ihr über Reichsangelegenheiten zu beraten pflegte. – Immer öfter wollte er nun unliebsame Entscheidungen an sie verweisen mit den Worten: „Geht zur Königin – und belästigt mich nicht damit.“

Die Späher hatten eine Spur gefunden und diese verfolgt. Sie führte über die östliche Grenze – außerhalb des Machtbereiches Eberhard’s. Eine Gruppe herumstreunender Unholde hatte das auf dem Felde arbeitende Mädchen ergriffen und kurzerhand mit sich geführt, um es wohl in den östlichen Ländern als Sklavin zu verkaufen. Eberhard ergrimmte und befahl seinem Heer, sich bereitzumachen, um die Reichsgrenze zu überschreiten und notfalls mit Waffengewalt das Kind zu befreien und zurückzubringen.

Er selbst ritt anderntags an der Spitze seiner Streitmacht und sie fielen beim donnernden Hufschlag ihrer Pferde, inmitten einer weithin sichtbaren Staubwolke, in das fremde Reich ein. Sie erreichten einen der zurückgebliebenen Späher, der sich an ihre Spitze setzte, um sie ins Landesinnere zu führen. Nach mehrstündigem Ritt trafen sie auf einen weiteren Späher, welcher an einer Weggabelung auf ihr Erscheinen wartete. Weiter ging der Ritt – und je mehr Zeit verstrich, um so mehr wollte Eberhard ergrimmen. Diese Strolche hatten ihn gezwungen, sich von seiner Gespielin und Deren Freuden zu entfernen, um hier wegen eines Bauernmädchens einen Gewaltritt zu unternehmen !

Am späten Nachmittag endlich stießen die Verfolger auf den Dritten und damit Letzten der Spione. „Sie haben das Mädchen in das Schloss des Königs gebracht“, wusste Dieser zu melden, „die Entführer haben das Schloss bereits wieder verlassen, doch das Kind ließen sie zurück.“ Eberhard besprach sich mit seinen Heerführern, danach ging es weiter, bis in der Ferne das befestigte Schloss zu erkennen war. Die Sonne stand am Horizont; so beschloss Eberhard, an Ort und Stelle zu lagern, um am nächsten Morgen vor die Burg, in welcher das Mädchen sich befand, zu ziehen und diese zu belagern.

Beim Morgengrauen war man bereit. Eberhard ließ aufsitzen und das Heer setzte sich in Bewegung. Hörner wurden geblasen, Eberhard’s Fahnen gezeigt. So traf man vor dem Schloss des gänzlich unvorbereiteten Nachbar-Königs ein. Dieser erschrak zutiefst. Er erkannte Eberhard’s Farben und befürchtete, Dieser sei gekommen, um ihn zu vertreiben und selbst die Herrschaft zu übernehmen.

Die Geschichte der drei Brüder war bekannt und der König wusste, dass er nicht stark genug war, um Eberhard im Ernstfalle erfolgreich Widerstand entgegensetzen zu können. Er ließ seinen Ersten Minister rufen und befahl Diesem, herauszufinden, welches der Grund für die Anwesenheit des bedrohlichen Heeres war. Schon bald darauf stand der Minister erneut vor seinem König. „Sie verlangen Euch zu sprechen, Herr. Man wollte mir keine Auskunft über die Gründe dieses Aufmarsches geben.“ Der König trat inmitten seiner Leibwache unter das große Burgtor und stand dem nur wenig entfernten König Eberhard gegenüber. „Ihr habt Etwas in Eurem Besitze“, rief Eberhard mit lauter Stimme, „was Euch nicht zukommt. Gebt es heraus, so dass ich es wieder in rechtmäßige Hände übergeben kann !“ Der Herr der Burg zögerte einen Moment. Es schien sich um das Mädchen zu handeln, welches ihm gestern von Händlern zum Kauf angeboten ward. Sollte Eberhard berechtigte Ansprüche stellen, so würde er ihm das Mädchen aushändigen....

Der König hoffte, dass dies der wahre Grund sei, und nicht, wie zuvor von ihm befürchtet, die Streitigmachung seiner Königswürde. „Warum kommt Ihr mit einem Heer, König Eberhard ? Wenn ich Euch zu Gefallen sein kann, so lasst uns darüber sprechen; wir liegen doch miteinander nicht im Streite. – Kommt und tretet ein. Ihr seid mein Gast !“

Fortsetzung Morgen