Original von Red Sabbath, Übersetzung von Mondwolf mit freundlicher Genehmigung der Autorin und Kinbaku Today
Dieser Artikel erschien am 12.01.2015 bei Kinbaku Today unter dem Titel „The Eroticization of Suffering“ und wurde am 26.10.2018 nach grundlegender Bearbeitung erneut veröffentlicht.
Ich werde oft von anderen Bondage-Modellen gefragt, wie ich mit Schmerzen umgehe. Zunächst: mein bzw. unser Semenawa beschäftigt sich mit Leiden, nicht mit Schmerz.
Ich bin keine Masochistin. War ich niemals. Abseits von Spielsitzungen, in denen ich mich unterwerfe, kann ich kaum mit schmerzhaften Reizen umgehen. Was sind also die Werkzeuge, die Techniken, die ich persönlich nutze, um mit schmerzhaften Sinneseindrücken und zunehmendem Leiden umzugehen? Wie wandle ich diese Erfahrungen in etwas um, das ich verarbeiten kann?
Atmen
Wenn ich weiß, dass ich eine herausfordernde Erfahrung machen werde, schließe ich meine Augen und verlangsame meinen Atem, reguliere ihn. Wird die Atmung verlangsamt, passiert das auch mit dem Herzschlag, was sofort einen entspannteren Zustand erzeugt. Ich atme langsam und tief, wenn möglich. Ist meine Atmung durch die Fesselung eingeschränkt, atme ich langsam und ausgedehnt. Ich atme mit verschiedenen Teilen meines Körpers, zum Beispiel nur mit meinem Bauch, wenn sich meine Lunge nicht ausdehnen kann. Oder ich atme sehr flach, wie ein Hauch, von dem eine Fensterscheibe beschlagen würde. Bewusstes Atmen hat eine sofortige und natürliche Auswirkung auf die Wahrnehmung von Schmerz und hilft mir dabei, mich zu entspannen, zu lösen und mich von negativen Gefühlen zu befreien.
Einer der Hauptfehler, die wir in stressigen Situationen begehen, ist das Hyperventilieren. Es versetzt einen, genau genommen, in Kampfbereitschaft. Wenn Rigger das bemerken, können sie nahe an uns herantreten und uns helfen, wieder langsamer zu atmen. Mein Rigger legt zum Beispiel seine Hand auf meinen Brustkorb oder meinen Nacken, wenn er Änderungen in meinem Atemrhythmus entdeckt. Dann atmet er gemeinsam mit mir und nimmt über seinen Rhythmus Einfluss auf meinen eigenen Atem.
Bewusstes Atmen ändert das Timing unserer Kampfbereitschaft und unserer generellen Reaktionen. Es gibt uns die Zeit, auf die Wirkung des Seils zu vertrauen. Erinnert ihr euch an die Szene aus dem Film „Kill Bill“, in der Beatrix Kiddo (Uma Thurman) in einem Sarg aufwacht und ihr klar wird, dass sie lebendig begraben wurde? Zunächst verfiel sie in Panik, dann jedoch wurde ihr bewusst, dass die einzige Möglichkeit, die Situation zu überleben, die Verlangsamung ihrer Atmung war. Dadurch sparte sie Energie und war in der Lage, sich zu konzentrieren.
Sich in die Situation ergeben
Für mich ist Fesseln eine der wenigen Situationen im Leben, in denen ich wirklich komplett die Kontrolle abgeben kann. In meinem Alltag habe ich immer die Kontrolle, ich bin ein Kontrollfreak. Ich arbeite in der Erwachsenenbildung, muss stark und manchmal auch autoritär sein.
Unterwerfung und Sich-fallen-lassen passieren nicht einfach von allein – es ist eine bewusste Entscheidung dazu nötig. Das kann man lernen, Schritt für Schritt, wie bei jeder anderen neuen Fähigkeit. Für mich hat es sich bewährt, dass ich mich einer Grenze bewusst nähere und es dann länger dort aushalte, als ich vorher für möglich gehalten hätte. So in etwa wie beim Laufen, wenn man müde und total kaputt ist und denkt, dass man keine 100 Meter mehr schaffen wird. Wenn man sich nur ein wenig weiter als diese Grenze antreibt, wird man wahrscheinlich einen ganzen Kilometer weiterlaufen, ohne es zu merken!
Manchmal erlebe ich Bondage-Modelle, die dieses Gefühl nicht erfahren können, weil sie an der Grenze bereits haltmachen. Sie glauben, dass es schwierig werden wird, also beschränken sie ihre Anpassungsfähigkeit schon vorher. Ich denke aber, dass wir uns dieser Grenze nähern müssen. Wir müssen dort verweilen und akzeptieren, dass es „keine Fluchtmöglichkeit“ gibt. Wir können uns an alles anpassen. Wir müssen uns dafür einfach die Zeit geben, in der unbehaglichen Situation zu versinken. Das ist der Grund, warum ich nicht gegen das Unbehagen kämpfe: Ich folge ihm. Ab dem Moment, in dem mein Gehirn und mein Körper loslassen, beginnt die Glückseligkeit.
Wenn ich es schaffe, in einer Fesselung zu versinken und mich nicht zu verkrampfen, dann hilft mir das sofort zu entspannen. Es ist wie das Akzeptieren des Todes. Nochmals, wenn es aus einer Situation einen Ausweg gibt, wird unser Gehirn meist versuchen, jede Form von Unannehmlichkeit zu vermeiden. Wenn uns jedoch bewusst ist, dass wir uns an die neue Situation anpassen müssen, um „zu überleben“, dann werden unser Gehirn und unser Körper eine Möglichkeit finden, damit umzugehen.
Rigger haben in solchen Situationen Einflussmöglichkeiten. Wenn sie uns abfesseln, sobald wir ein Zeichen des Unbehagens von uns geben, helfen sie uns damit nicht. Gerät ein Rigger in Panik und ermöglicht uns sofort eine Fluchtmöglichkeit, unterstützt er uns nicht dabei, die Situation selbst zu bearbeiten. Entschlossenes Handeln und die Hilfe beim Erleben des Gefühls wären hilfreicher. Ich spreche hier natürlich nicht von wirklichen Gefahrensituationen.
Trainer im Fitnessstudio werden dich nicht einfach aufgeben lassen, wenn du Situps machst. Er oder sie wird dich wahrscheinlich anfeuern, bis zum Ende der Übung weiterzumachen … und dich dann loben, weil du durchgehalten hast!
Sich schenken
Ich konzentriere mich im Geist darauf, dass mein Leiden in dem Moment ein Geschenk für meinen Rigger ist. Ich liebe es, mit Situationen zurechtzukommen und lebe dieses Geschenk geradezu. Ich gebe ihm die Zeit, mich in meinem Leiden zu bewundern. Ich liebe es, für ihn wunderschön zu sein, es ist eine süße Opfergabe.
Ich weiß, dass mein Rigger es mag, wenn ich auf eine schöne Art leide. Es ist so, als würde man auf eine Party gehen und wunderschön aussehen wollen. Man widersteht der Unbequemlichkeit der High Heels, weil man weiß, dass man fantastisch aussehen wird! Wenn mein Rigger nah an mich herankommt und mir sagt, dass ich wunderschön aussehe, ist das meine Belohnung. Wir stehen einem kleinen Opfer offener gegenüber, wenn wir uns dadurch großartig fühlen und dafür bewundert werden.
Sinneseindrücke auftrennen
Ich habe bemerkt, dass ich dies recht häufig tue. Es ist eine Technik, mit der ich einen Sinneseindruck (Schmerz, Brennen, Kribbeln) in verschiedene Teile trenne. Schmerzt zum Beispiel meine Schulter durch einen festen Takate Kote und das Körpergefühl lässt sich auch als „sehr warm“ bezeichnen, konzentriere ich mich einfach auf das Gefühl der Hitze und nicht auf den Schmerz.
Man kann sich darüber hinaus aktiv dafür entscheiden, sich auf einen anderen (am besten weniger) schmerzenden Teil des Körpers zu konzentrieren. Dadurch zwingt man sein Gehirn dazu, sich vom Hauptschmerz abzuwenden. Um das zu erleichtern, kann man in einem anderen Teil deines Körpers aktiv Druck ausüben, um die Aufmerksamkeit dorthin zu lenken. Wenn mein Schienbein beispielsweise durch eine Futomomo-Fesselung stark schmerzt, lege ich mein ganzes Gewicht auf meine Taillengegend.
Ein geistiges Betäubungsmittel anwenden
Das Folgende funktioniert sehr gut: Stelle dir vor, dass ein starkes Betäubungsmittel wie Morphium den schmerzenden Teil deines Körpers erreicht. Ich selbst male mir meist aus, wie mein Gehirn Endorphine produziert. Da ich weiß, dass das tatsächlich passiert, und die Endorphine ihre Wirkung in sehr kurzer Zeit entfalten, warte ich einfach, bis ihre Wirkung real eintritt.
Frage dich zunächst aber, warum du gerade fühlst, was du fühlst. Manchmal sind die Reaktionen unseres Körpers während einer Fesselung keine wirklichen Schmerzen oder nicht zwangsweise negative Gefühle. Viele unserer Reaktionen hängen tatsächlich von Angst ab: Wir könnten uns davor fürchten, verletzt zu werden, wir erleben etwas komplett Neues oder unser Körper ist nicht daran gewöhnt … – unsere starke Reaktion könnte durch diese Umstände beeinflusst sein.
Wir müssen uns immer ehrlich fragen, ob unsere Reaktion auf realen Schmerzen oder Angst basiert. Und wir müssen lernen, zwischen „schmerzhaft“ und „gesundheitsschädlich“ zu unterscheiden. Wir erleben meist zwei bestimmte Reaktionen auf Angst: Kampf oder Flucht. Das bedeutet, wir stellen uns der Angst entweder entgegen oder versuchen sie zu vermeiden. In extremen Fällen kann sich die Angst zu Starre oder Lähmung entwickeln. Das kann unsere Wahrnehmung der Realität stark verzerren und sowohl die Reaktionen unseres Gehirns als auch die unseres Körpers beeinflussen.
Warte also eine Minute ab, analysiere, was gerade passiert. Atme, entspanne und konzentriere dich. Das kann ein guter Ablauf sein, den Kopf freizubekommen, um zu verstehen, was wir wirklich gerade fühlen.
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